Vincent Kompany: "Ich bin kein Star"

FREITAG, 5 AUGUST 2005, 12:06 - RSCA Skater
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»Goldener Schuh« und »Profifußballer des Jahres«, d.h. alle individuellen Auszeichnungen die es im belgischen Fußball gibt, konnte der erst 19-jährige Anderlechter Fußballprofi Vincent Kompany in der letzten Saison einheimsen.


Fußballgenie, ein Modell der Integration und der Multi-Kulti-Generation, Höflichkeit und Bescheidenheit sind Attribute, die den Sohn eines Kongolesen und einer Belgierin auszeichnen. Diese Lobeshymnen der Medien haben den »Zidane« des Brüsseler Nordbahnhofviertels jedoch nicht verändert.

Ihm lagen Angebote von Chelsea, AC Mailand und Barcelona vor. Auch Manchester United und Inter Mailand hatten Interesse gezeigt. Trotzdem verlängerte das Ausnahmetalent bei den Veilchen bis 2010. Mit ihm führte die ostbelgische Tageszeitung Grenz-Echo vor dem Saisonauftakt in der 1. Division folgendes Interview.

Sie sind nun ein Fußballstar und äußerst populär. Ihr Wert auf dem Transfermarkt wird auf über 20 Millionen Euro geschätzt, und Sie haben den »Goldenen Schuh« als Belgiens Fußballer des Jahres gewonnen. Verspüren Sie nach Ihrem kometenhaften Aufstieg Neid ?

Ich weiß, dass der Neid genauso wie die Kritik Teil des Lebens eines Fußballprofis ist. Aber ich fühle mich wahrlich nicht als Star. Ich bin groß und kräftig und dennoch schüchtern. So würde ich, wenn dies möglich wäre, die Anonymität bevorzugen.

Haben Sie nicht den Eindruck gewonnen, ein Symbol oder zumindest ein nachahmenswertes Beispiel für viele Jugendliche geworden zu sein ?

Nein, eigentlich nicht. Es gibt Leute, die diese Rolle viel besser ausfüllen können als ich. Warum sollte ich ein Vorbild sein ? Ich versuche nur aufrichtig und höflich zu sein und anderen Werten, die meine Eltern mir beigebracht haben, nachzuleben. Auch habe ich den festen Willen, zu bleiben wie ich bin. Meine Vorbilder heißen Pele und Desailly, ihnen möchte ich nacheifern.

Sie werden manchmal mit Enzo Scifo oder Paul Van Himst verglichen, die auch noch sehr jung waren, als sie mit dem »Goldenen Schuh« ausgezeichnet wurden. Sie befinden sich also in illustrer Gesellschaft.

Nur mit dem Unterschied, dass Sie sich nach dem Gewinn dieser Auszeichnungen noch Großes für den belgischen Fußball geleistet haben. Ich hingegen habe mit meinen 19 Jahren noch alles zu beweisen. Zwar bin ich innerhalb eines Jahres eine Etage höher gestiegen, doch sie haben das Dach des Hauses erreicht. Und wenn der Name des großen Franz Beckenbauer im Zusammenhang mit mir genannt wird, freut dies mich natürlich, aber im Ernst, da ist gar kein Vergleich möglich...

Wäre es für Ihre sportliche Entwicklung nicht besser, ins Mittelfeld zu wechseln als in der Innenverteidigung zu spielen ?

Selbstverständlich habe ich meine eigene Meinung bezüglich Ihrer Frage, aber die behalte ich lieber für mich. Ich spiele sowieso dort, wo der Trainer mich aufstellt und dies im Interesse der Mannschaft. Ich passe mich an. Vielseitig zu sein ist zudem ein Trumpf.

Die Fußballexperten streiten sich über Ihre nahe sportliche Zukunft. Die einen denken, dass Sie sofort in eine große Liga wechseln müssten. Andere meinen, dass Sie weiter beim RSC Anderlecht reifen sollen. Was sagen Sie dazu ?

Es stimmt schon, dass ich sicher schneller und größere Fortschritte machen würde, wenn ich jede Woche gegen die besten Spieler der Welt bestehen müsste. Aber vor allem entwickele ich mich schneller, wenn ich spiele. Anderlecht ist momentan der Klub, der mir diesbezüglich die besten Perspektiven bietet. Mit 18 Jahren kriegt man bei keinem europäischen Spitzenklub die Garantie auf einen Stammplatz. Deshalb hege ich zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Abschiedsgedanken. Auch war der menschliche Aspekt in Anderlecht, wo ich das Gefühl habe, einer großen Familie anzugehören, mit ausschlaggebend für meinen Verbleib .

Von Anderlecht irgendwann weg zu gehen, dürfte Ihnen demnach äußerst schwer fallen ?

Sicher. Ich spiele schon 13 Jahre für Anderlecht und bin mit diesem Klub aufgewachsen. Egal, wo ich einmal spielen sollte, so werde ich immer mit etwas Nostalgie an meine Zeit in Anderlecht zurückdenken.

Wäre es nicht dennoch ratsam, sowohl für den Verein Anderlecht, als auch den Spieler Kompany, das Eisen zu schmieden, so lange es heiß ist ? Vor einem Jahr war Aruna auch bei einigen Topklubs im Gespräch und nun musste er sich mit einem Transfer zum bescheidenen Lens begnügen.

Bescheidenes Lens? Aruna hat eine gute Wahl getroffen. Er spielt in einer starken Liga und kann sich gegen Teams wie Paris St.Germain, Lyon, Monaco und Marseille, alles europäische Topklubs, beweisen. Also wer meint, dass Aruna einen Schritt getan hat, irrt gewaltig.

Bleiben wir bei Aruna. Vor einem Jahr durfte er unter keinen Umständen Anderlecht verlassen, erhielt aber im Gegenzug das Versprechen, dass der Klub ihm zu Saisonende, bei einem entsprechenden Angebot, keine Steine in den Weg legen würde . Gilt das auch für Vincent Kompany ?

Es sind diesbezüglich Abmachungen getroffen worden, deren Inhalt jedoch nur mir und der Vereinsleitung bekannt bleiben sollen...

Am 15. Februar dieses Jahres durften Sie in Barcelona mit den größten Fußballstars in einer Weltauswahl ein Galaspiel zu Gunsten der Tsunami-Opfer zu bestreiten. War dies die Verwirklichung eines Traums ?

Es war vor allem eine Ehre für mich, bei dieser Wohltätigkeits- veranstaltung mitwirken zu können. Mit u.a. Schewtschenko und Ronaldo in einem Team spielen zu können, war schon ein Höhepunkt in meiner noch jungen Karriere.

Als inzwischen großjähriger Mann verfügen Sie auch frei über Ihr ... Bankkonto. Wird Vincent Kompany sich jetzt die tollsten Einkaufswünsche erfüllen ?

Dies entspricht nicht meiner Lebensart. Mein Vater ist lange mit einem kleinen und alten Honda gefahren. So träume auch ich nicht davon, morgen in einer Luxuskarrosse zu fahren.

Sie haben ihre Jugendzeit im berüchtigten Brüsseler Nordbahnhof- viertel verbracht. Hatten Sie nie Angst, mit Drogen konfrontiert zu werden ?

Nein. Wenn ich Probleme hatte, konnte ich auf meine Familie zählen. Ich hatte auch nie Drogen nötig, um das Gefühl zu haben bei meiner »Clique« dazu zu gehören. »Cool« oder »Hip« zu sein hatte für mich immer eine andere Bedeutung...

Schlussfrage: Werden Sie neben dem Profifußball weiter studieren ?

Ich habe vor, als freier Student an der Universität zu studieren. Ich bin mir jedoch bewusst, dass die Kombination Studium und Spitzensport kein leichtes Unterfangen sein wird. Für meine persönliche Entwicklung habe ich die Ablenkung vom Fußball nötig. Auch habe ich während der letzten zwei Jahre als Fußballer nie einen mentalen Tiefpunkt gekannt. Dies habe ich u.a. meinem Studium zu verdanken.

Quelle: Grenz-Echo



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